Deutschland hat sich in einem parteiübergreifenden und breiten gesellschaftlichen Konsens darauf verständigt, den durch den Menschen verursachten Klimawandel auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Hierfür soll bis 2050 ein Energiesystem geschaffen werden, welches nachhaltig und gleichermaßen sicher und bezahlbar bleibt
Bislang lag der Fokus stärker auf dem Ausbau erneuerbarer Energieträger und der erforderlichen Infrastruktur. Eine Stärkung der Energieeffizienz kann jedoch die Gesamtkosten des Energiesystems deutlich minimieren. Der Schlüssel hierfür ist eine ambitionierte Effizienzpolitik, die weitreichende Effizienzsteigerungen ermöglicht.
Bereits mit dem Energiekonzept 2010 hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2050 den Primärenergiebedarf zu halbieren. Die Gebäude-Sanierungsrate soll dabei verdoppelt werden, um einen „nahezu klimaneutralen“ Gebäudebestand zu erreichen.
Wie so oft bleibt jedoch die Entwicklung hinter den ambitionierten Zielen weit zurück. Im Grünbuch Energieeffizienz weist die Regierung darauf hin, dass das Tempo gesteigert werden muss und zusätzliche Schritte erforderlich sind, um den Energieverbrauch bis 2050 zu halbieren. Eine Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ hat errechnet, dass ab 2020 sogar eine Verdreifachung der Anstrengungen notwendig wäre, um das gesetzte Ziel zu erreichen. In Zusammenhang mit den EU-Klimaschutzzielen bedeutet dies eine weitgehende Abkehr von Öl, Kohle und Gas.
Als neues Leitmotiv einer kostenoptimierten Energiewende wurde Efficiency First zur energiepolitischen Diskussion aufgerufen. Zukünftig sollen Energieeffizienz und flexible Verbraucher gleichberechtigt bei der erneuerbaren Energieerzeugung sein, indem erzeugte und eingesparte Kilowattstunde gleichrangig behandelt werden. (Das Prinzip wird übrigens seit den 1970er Jahren in zahlreichen US-Staaten und zum Beispiel in Dänemark praktiziert, um eine steigende Energienachfrage zu den geringsten Kosten zu bedienen (Least-Cost-Planning). Jedoch wurde Least-Cost-Planning für und in einem integrierten Monopol-Systemen konzipiert, während das Energiesystem in Deutschland auf einem inzwischen liberalisierten Markt basiert.
Bei mehr als 50 Prozent Erneuerbaren-Energien-Anteil am Stromverbrauch schwankt der Systemwert sowohl der Energieeffizienz (Verbrauchseinsparung) als auch der Energieerzeugung im Tages- und Jahresverlauf. Effizienz bekommt daher eine zeitliche Komponente: Wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, steigen die Strombörsenpreise und Energieeffizienz wird wertvoller als in Zeiten hoher EE-Stromproduktion.
Das heißt aber auch, dass Verbraucher noch nicht in ausreichendem Maße von niedrigen Strompreisen bei hoher PV- und Windeinspeisung profitieren. Daher fehlen die notwendigen Anreize, auf der Verbraucherseite neue Geschäftsfelder für die eingesparte Kilowattstunde entwickeln zu können.
Der Wert der Energieeffizienz im Stromsektor ist gut erforscht – es mangelt jedoch an der Umsetzung. Höhere Effizienz könnte die Kosten des Gesamtsystems im Jahr 2050 um geschätzt 28 Mrd. Euro senken und 6.750 km geplante, neue Stromleitungen im Übertragungsnetz überflüssig machen. Der volkswirtschaftliche Wert einer jeden eingesparten Kilowattstunde lässt sich im Durchschnitt mit 11 bis 15 Cent pro Kilowattstunde beziffern.
Die Studie hat darüber hinaus auch aufgezeigt, dass ein effizientes Stromsystem noch lange nicht Realität ist. So beträgt der durchschnittliche industrielle Strombezugspreis weniger als 10 Cent pro Kilowattstunde, bei maximaler Befreiung von Abgaben und Umlagen sinkt dieser sogar bis auf 4 Cent. Demgegenüber spart jede nicht erzeugte Kilowattstunde (nur) zwischen 11 bis 15 Cent. Für industrielle Verbraucher bedeutet dies aus betriebswirtschaftlicher Erwägung heraus noch keinen Anreiz, um Investitionen in Effizienzmaßnahmen zu tätigen.
Aufgrund fehlender Anreize gelang es bislang nicht, das große geschäftliche Potenzial nachfrageseitiger Maßnahmen breitflächig zu erschließen. Bei geeigneten Rahmenbedingungen könnten industrielle Verbraucher durch Wettbewerbsvorteile profitieren und die Energiewirtschaft mit Energieeffizienz und neuen Geschäftsmodellen mehr Geld verdienen, als mit dem Verkaufen von Strom.
Damit das Prinzip Efficiency First tatsächlich zur Geltung kommt und nicht bloß deklaratorischen Charakter behält, sollte es im Rahmen eines Energieeffizienzgesetzes als zentrales Leitprinzip mit verbindlichen nationalen und EU-Zielen verankert werden. Hierzu müssten
- verbindliche Effizienzziele definiert,
- einen Rechtsrahmen geschaffen,
- Prozess-Verantwortlichkeiten geklärt,
- Efficiency First als Organisations- und Entscheidungsprinzip verankert
- und eine verursachergerechte, sozialverträgliche und verlässliche Finanzierung der Maßnahmen sichergestellt werden.